Man kann natürlich aus allem eine Wissenschaft machen, daher vorab ein Tipp zum Biergenuss: Gut ist, was gefällt, und gut ist, was schmeckt. Dennoch gibt es ein paar Aspekte, die eine wesentliche Rolle spielen, um das Aromaprofil der unterschiedlichen Bierstile optimal erleben zu können. Es beginnt beim Einkauf und erstreckt sich über die richtige Lagerung zu Hause, die Auswahl der Gläser sowie die optimale Trinktemperatur bis zur Abfolge der Biere bei einer Verkostung.
Das kleine Einmaleins der richtigen Lagerung
Natürlich schmeckt ein frisches, kühles Bier am besten, keine Frage. Aber wie lagert man die Biere, die im Getränkehandel oder im Supermarkt gekauft wurden, zu Hause im eigenen Keller fachgerecht, um den frischen Geschmack möglichst lange genießen zu können? Licht und Wärme sind zwei Faktoren, die Biere generell nicht gerne mögen und zu einer schnelleren Alterung, also einer Veränderung von Geschmack und Aussehen, führen können. Helle, schlanke Biersorten wie Helles oder Pils, die in der Sonne stehen, oxidieren durch die Wärme und den Lichteinfall, so der Fachbegriff. Sie können natürlich immer noch getrunken werden, sind aber im Geschmack nicht mehr so, wie sich der Braumeister dies für sein Bier wünscht. Daher gilt die Profi-Regel: Biere nach dem Einkauf schnell in den kühlen, dunklen Keller stellen, idealerweise bei vier bis sieben Grad Celsius lagern und kurz vor dem Trinken im Kühlschrank auf die gewünschte Temperatur einstellen.
Es gibt Biere, die sich durchaus zum Lagern eignen. Hier gilt die Faustregel, je dunkler und alkoholreicher ein Bier ist, desto besser eignet es sich zum Lagern. Ein dunkler Bock oder Doppelbock beispielsweise, der mit einem höheren Alkoholgehalt und einem körperreichen, charaktervollen Aromaprofil ausgestattet ist, kann im eigenen Keller kühl, dunkel, trocken und stehend durchaus gelagert werden. Diese Biere verändern im Lauf der Zeit ihr Aroma und können sherryartige Noten ausbilden, die an Portwein erinnern. Mancher Bierliebhaber lässt ein, zwei Flaschen des meist saisonal angebotenen Starkbiers im Keller und baut sich so ein Lager mit sogenannten Jahrgangsbieren auf, um sie nach einiger Zeit gegeneinander zu verkosten. Wer also eine vergessene Flasche Doppelbock im Keller findet, sollte diese auf jeden Fall öffnen und verkosten.
Optimale Trinktemperatur
Die Wahl der Trinktemperatur hat einen entscheidenden Einfluss auf unsere sensorische Wahrnehmung. Zur Erfrischung gereichte Biere werden hierzulande meist kalt, manchmal sehr kalt getrunken. Andere Länder, andere Sitten: In Brasilien beispielsweise gilt die Direktive, je näher am Gefrierpunkt ein Bier gereicht wird, desto besser. In England dagegen werden die Biere oftmals für den Geschmack der Deutschen zu warm und noch dazu fast ohne Kohlensäure über den Tresen geschoben. Was ist nun richtig, und wo liegt die optimale Trinktemperatur? Biergenießer können sich einer einfachen Formel bedienen, um Gästen Bier mit der richtigen, zum Bierstil passenden Trinktemperatur anbieten zu können. Als Orientierung: Gelagert werden sollte Bier bei vier bis sieben Grad Celsius, die optimale Trinktemperatur von schlanken, hellen, alkoholarmen Bieren liegt bei sechs bis acht Grad Celsius. Biere mit mehr Charakter, mit mehr Aromavermögen benötigen höhere Trinktemperaturen. Nur dann kann der Bierliebhaber seine sensorischen Fähigkeiten unter Beweis stellen und die unterschiedlichsten Aromen erkennen. Deshalb gilt: Jedes Bier hat seine eigene perfekte Trinktemperatur. Man kann hieraus eine Wissenschaft machen. Doch für den praktischen Genuss reichen ein paar Grundregeln: Je schlanker ein Bier, desto kälter kann es getrunken werden. Obergärige oder stark aromatische Biere sollten wärmer getrunken werden. So lässt man den Aromen die freie Entfaltung. 11 bis 13 Grad Celsius sind selten zu warm. Weizenbiere, Starkbiere, fruchtige Ales – das alles sind Biersorten, deren Potenzial erst hier zur Geltung kommt. Die Temperatur macht den Unterschied.
Bier gehört übrigens nicht in den Gefrierschrank, auch nicht, um es auf die Schnelle in den gewünschten Trinkzustand zu versetzen. Wenn Sie im Sommer vor der Aufgabe stehen, eine größere Menge Bier für eine Veranstaltung kalt zu stellen, ist eine mit kaltem Wasser und Eis gefüllte Wanne empfehlenswert. Einzelflaschen für einen Ausflug können direkt nach der Entnahme aus dem Kühlschrank in Zeitungspapier gewickelt und so kühl gehalten werden. Insgesamt gilt aber: Vermeiden Sie große Temperaturschwankungen, sie schaden dem Geschmack.
Einfache Grundregeln für die Glasauswahl
Glaskultur heißt Genusskultur, und die Wahl der Gläser hat entscheidenden Einfluss auf die Aromen, die dem jeweiligen Bier entlockt werden können. Deshalb zum Start die schlichte Empfehlung: probieren. Verkosten Sie ein Starkbier in der Champagnerflöte, trinken Sie ein Pils aus einem Kelch, ein Hefeweizen aus der Flasche. Erst durch Fehler kann man lernen. Es gibt ein paar Grundregeln, die eine sensorische Annäherung an verschiedene Bierstile zu Beginn erleichtern. Je bitterer und schlanker ein Bier ist, beispielsweise ein Pils, desto feiner und nach oben geschlossener sollte das Glas sein, um die typischen Aromen zu erkennen. Geeignete Formen heißen Tulpe oder Flöte. Je fruchtiger das Bier, beispielsweise ein Weizenbier, desto bauchiger und offener sollte das Glas sein. Die Aromen wuchtiger und komplexer Biere folgen der gleichen Logik, aber die bauchige Form sollte sich nach oben verjüngen, um die Aromenkomplexität lange zu bewahren. Alkoholaromatische Biere fühlen sich auch in Schwenkern zu Hause, für gelagerte Biere ist Dekantieren kein Fremdwort. Das bedeutet, dass das Bier nach dem Öffnen vorsichtig von der Flasche in ein Gefäß gegossen wird. Dabei sollte darauf geachtet werden, dass ein eventueller Bodensatz in der Flasche verbleibt. Wer sich als fortgeschrittenen Bierkenner sieht, kann sich mittlerweile im Handel mit speziellen Biergläsern ausstatten, die pro Bierstil wie beim Wein die ideale Glasform aufweisen.
Biere verkosten wie Profis
Wer von der Theorie zur Praxis schreiten will, sollte wissen, wie man am besten eine Verkostung bei sich zu Hause vorbereitet. Nachfolgend sind die Schritte aufgeführt, die zur Vorbereitung sinnvoll sind, sowie ein Grundgerüst für eine professionelle Beurteilung.
Bierauswahl und Ablaufplanung
Beschränken Sie sich zu Beginn auf sechs bis acht verschiedene Bierstile pro Bierverkostung. Sie können beim Zusammenstellen der Bierspezialitäten mehrere Ansatzpunkte wählen; vielleicht ist es auch sinnvoll, sich auf ein Themengebiet zu beschränken. Entweder Sie entscheiden sich für einzelne Bierstile, Regionen oder Brauereien, die Biervielfalt in Deutschland ist bekanntlich enorm. So können Sie sich beispielsweise intensiv dem Bierstil Pils widmen und im Getränkefachhandel verschiedene Pilsmarken auswählen. Um an weniger alltägliche Biere kleiner, unbekannter Brauereien zu gelangen, bieten sich zum einen Spezialitätengeschäfte an, die es mittlerweile in vielen Städten Deutschlands gibt, oder die Bestellung über Online-Plattformen. Manche der Anbieter stellen spezielle Genusspakete zusammen, sodass Ihnen hier ein Vorbereitungsschritt von Profis abgenommen wird. Sind die Biere bei Ihnen zu Hause angekommen, können sie nicht sofort verkostet werden. Gönnen Sie ihnen zumindest einen halben Tag Ruhe und lagern Sie die Biere in einem kühlen, dunklen Raum stehend, bevor Sie mit der Verkostung beginnen.
Vorbereitung der Verkostung
Sie sollten zunächst ideale Ausgangsbedingungen schaffen: Bei einer Temperatur von acht bis zehn Grad Celsius wird das Bier in einem gut gelüfteten Raum serviert. Verwendet werden einheitliche, mit klarem Wasser ausgespülte Gläser, möglichst ohne Dekor, der bei der Beurteilung von Farbe und Klarheit das Auge ablenken würde. Zur Geschmacksneutralisierung zwischen den Bieren eignen sich Weißbrot und ein stilles, nur sehr leicht mineralisiertes Mineralwasser. Zwischen dem Genuss geschmacksintensiver Getränke wie Kaffee und Tee und der Bierverkostung sollte gut eine Stunde Pause sein, damit die Sinne für neue Eindrücke offen sind. Aufgebaut wird eine Bierverkostung verschiedener Bierstile stets nach folgenden Grundregeln: von alkoholarmen zu alkoholreichen Bieren, von hellen, schlanken zu dunklen, wuchtigen Bieren. Intensive Sonderbiere wie Rauchbier bitte an den Schluss einer Verkostung stellen. Sobald jeder Teilnehmer einen Verkostungsbogen beziehungsweise einen Notizzettel und ausreichend leere Gläser vor sich hat, können Sie starten. In der Regel wird das Bier kurz vorgestellt, und dann kann sich jeder Verkoster einen Schluck einschenken, beziehungsweise Sie übernehmen dies und gehen reihum. Man schenkt etwa 0,1 Liter Bier pro Glas ein, das ist eine ausreichende Menge, um eine Bierspezialität umfassend begreifen zu können. Beim Einschenken achten Sie bitte darauf, dass das Bier nicht einfach von der Flasche in das Glas umgegossen wird, sondern von oben einfließt, so kann es sich mit dem Luftsauerstoff verbinden und sein Aroma entfalten. Bei der Verkostung der einzelnen Biere wird nun jedes Beurteilungskriterium der Reihe nach durchgegangen, und die Eindrücke werden notiert.
Die Beurteilungskriterien
Als Erstes wird das Bier dem Gehörsinn präsentiert: Wie hört es sich beim Einschenken an, welche Fließgeschwindigkeit hat es, wie hört sich das Zerplatzen der Schaumbläschen an? Dann geht es an die Optik: Das Farbspektrum deutscher Bierspezialitäten reicht von lichtem Strohgelb über Goldbraun bis hin zu kräftigem Schwarz. Das Glas sollte vor einen weißen Hintergrund gehalten und die Farbe genau beschrieben werden. Ein Pils oder Helles kann stroh- bis goldfarben, ein Alt kupferfarben bis braun und ein Schwarzbier dunkelbraun bis fast schwarz sein. Als Nächstes gilt es, die Klarheit des Bieres mit Eigenschaften wie glanzfein, blank, opal oder gleichmäßig trüb zu bewerten. Filtrierte Biere wie Pils weisen normalerweise einen feinen Glanz auf, unfiltrierte Biere wie Hefeweizen hingegen eine natürliche Trübung. Beim Bierschaum werden Volumen, Stabilität und durchschnittliche Porengröße beurteilt. Er kann kräftig, feinporig, sahnig, gut haltbar oder am Glas haftend sein. Während ein Weizenbier eine eher kompakte, stabile Schaumkrone trägt, ist die des Festbieres beispielsweise schnell flüchtig. Der Geruchssinn spielt beim Biergenuss eine bedeutende Rolle. Optimal lässt sich der Geruch testen, wenn der Schaum schon etwas zerfallen ist. Das Glas wird nach mehrmaligem Schwenken um seine Längsachse an die Nase geführt. Nach Aufnahme des Aromas mit kräftigen Atemzügen gilt es, den charakteristischen Geruch zu ermitteln. Dieser kann unter anderem als rein, malzaromatisch, karamellig, kräftig oder süßlich erlebt werden. Auch wahrgenommene Frucht- oder Gewürzaromen werden beschrieben.
Annäherung an das gesamte Geschmacksprofil
Bei der Geschmacksbeurteilung unterscheiden die Profis drei Phasen: Der erste Schluck, auch Antrunk genannt, liefert den ersten Geschmackseindruck. Dieser ist abhängig vom Stammwürzegehalt des Bieres und kann als schlank, weich, malzaromatisch oder würzeartig erlebt werden. Die Rezenz bezeichnet den Frischeeindruck des Bieres und wird vom Kohlensäuregehalt geprägt, der angenehm, spritzig, prickelnd oder frisch wirken kann. Der Nachtrunk ist durch seine Bitterkeit bestimmt, die auf den Hopfenanteil zurückzuführen ist. Beurteilen kann man diese als ausgewogen, kräftig betont, feinherb oder feinbitter. Diese drei Phasen liefern einen Gesamteindruck des Geschmacks. Während dunkles Weizenbier meist eine röstaromatische Note von Kaffee oder Schokolade aufweist, verfügt ein helles Weizen eher über eine Fruchtnote mit Bananen- und Pfirsich- oder Melonenaroma. Auch das Mundgefühl sollte nun beurteilt werden: Während ein Pils eher als spritzig und schlank wahrgenommen wird, wirkt ein Bockbier hingegen eher vollmundig und ölig, ein Doppelbock sogar wuchtig. Bei einer so gestalteten Verkostung, bei der man sich intensiv mit einem Bier auseinandersetzt und gemeinsam die Eindrücke diskutiert, wird dem Bier die Wertschätzung entgegengebracht, die sich die Braumeister wünschen.