Der Weltmeister der Sommeliers über das Geheimnis des Genusses

Als erster deutscher Gewinner der Weltmeisterschaften der Sommeliers ist Markus Del Monego einer der bekanntesten Weinexperten der Welt. 1966 in der Schweiz geboren, absolvierte Del Monego zuerst eine Ausbildung zum Hotelfachmann, bevor er seine erste Position als Chef-Sommelier antrat. Heute arbeitet er in erster Linie in der Beratung von Unternehmen und veröffentlicht Kolumnen in verschiedensten Medien. Ein Interview über Genuss aus dem Glas:

Wie kann eine Glasform Aussehen, Geruch und Geschmack eines Bieres beeinflussen?

Markus Del Monego: Nehmen wir hierfür das Pils als Beispiel: In einem kugelförmigen Glas wird es dunkler wirken als in einer schlanken Stange. Ist das Glas nach oben geöffnet, zeigt das Pils weniger Aroma als in einer Form, die nach oben hin wieder schmaler wird. Und in einer sehr schlanken Stange wird der geschmackliche Eindruck eher flüchtig und leicht sein, während die Kugelform das Bier eher wuchtig schmecken lässt.

Welche Parameter lassen sich mit einer entsprechenden Glasform beeinflussen, hervorheben bzw. betonen und warum?

Markus Del Monego – Sommelier-Weltmeister und Genussexperte. Quelle: Sahm

Wie ein Bier optisch wirkt, wird durch den Durchmesser des Glases beeinflusst. Dies wird dadurch deutlich, dass dieselbe Biermenge auf eine langgestreckte Glasform verteilt heller erscheint als in einer gedrungenen mit größerem Durchmesser. Hier wirkt sie dunkler. 

Ein weiterer wichtiger Faktor ist die Form des Glasrandes, die sich maßgeblich auf den Duft auswirkt, der wiederum durch die Aromenkonzentration bestimmt wird. Ist der Rand ausgestellt, werden die Aromen weniger konzentriert als in einem Glas mit eingezogenem Rand. Somit wird also auch der „Duftkamin“ und damit die Effekte im weiteren Genussverlauf durch die Form des Glases bestimmt. Besonders für das letzte Drittel Bier im Glas ist sie entscheidend: Wird es aus einem Glas getrunken, in dem die Aromen geschickt gebündelt werden, kann ein Eindruck von Frische entstehen, der im Unterbewusstsein zur Bestellung eines weiteren Bieres animiert. Während das erste Bier in der Regel schnell „gezischt“ wird und das zweite aus Durstgründen bestellt wird, ist es beim dritten Glas in der Regel der Duft, der animiert und zur Entscheidung beiträgt.

Was bestimmt den Geschmack?

Beim Geschmack kommt es hauptsächlich auf den Auftrittspunkt auf der Zunge an. Es gibt Formen, die das Bier gezielt an die Zungenspitze führen und damit die Süße betonen, andere Formen bringen das Bier eher in die Zungenmitte und fördern damit das herbe Empfinden. Hinzu kommen Faktoren wie Fließgeschwindigkeit und Flussbreite.

Welche Rolle spielt die Dicke eines Glases beim Geschmacksempfinden?

Bei einem dicken Glas entsteht der Eindruck eines rustikalen, schweren Getränks. Je dünner das Glas, desto eleganter und differenzierter erscheint das Bier. Ein dicker Rand, beispielsweise ein ausgeprägter Rollrand, lässt das Bier ebenfalls rustikaler erscheinen als ein feiner, geschliffener Rand.

Die Schaumentwicklung eines Bieres ist ja auch für die Geruchs- und Geschmacksentwicklung entscheidend. Welche Gläser eignen sich für welche Biere, gibt es hier feste Regeln zu beachten?  

Die Beachtung einiger Grundregeln kann durchaus hilfreich sein. Ein untergäriges Bier kann sich beispielsweise in einer nach oben verjüngenden Glasform positiv präsentieren, ein obergäriges Bier würde in einem solchen Glas fast als Karikatur seiner selbst wirken. Obergärige Biere profitieren in der Regel von nach oben etwas geöffneten Glasformen. Dies liegt an der Aromenstruktur, da die Aromen in der etwas geöffneten Glasform nicht zu stark konzentriert werden.

Spielt auch das Gewicht des Glases eine Rolle?

Hier spielt wieder die Haptik eine Rolle: Ein schweres Glas lässt das Getränk rauer, rustikaler und eindimensionaler erscheinen.

Deutsche Brauer entwickeln derzeit eine ganze Reihe neue und teils ungewöhnliche und auch unbekannte Biere und Geschmacksrichtungen. Inwieweit sind auch hier ganz neue Gläserformen und -strukturen gefragt? 

Die Herausforderung der neuen Biertypen liegt in der individuellen Definition ihrer sensorischen Qualitäten. Ein India Pale Ale hat in einer sich nach oben öffnenden Glasform einen wunderbaren, eleganten, würzig-aromatischen Duft. Wenn jedoch die blumig-aromatischen Noten, die tendenziell in eine parfümierte Richtung gehen, betont werden sollen, wäre eine Kugelform besser geeignet. So kommt es ganz darauf an, wie der Brauer seinen eigenen Biertyp interpretiert.

Inwieweit kommen Glashersteller wie Sahm mit ihren Produkten den vielen komplexen sensorischen Eigenschaften von Bieren entgegen, welche neuen Gläser werden entsprechend angeboten?

Eine ganze Reihe von Gläsern wurde speziell für Brauereien entwickelt, die ihre Biere in einer genau definierten Charakteristik präsentieren wollen. Dazu gehören die Glasprojekte von Duckstein, das Verkostungsglas für die Weißbiere von Schneider, der Moritz Pokal für die Brauerei Fiege, der Pokal für die Biere von Schloss Kaltenberg und viele mehr. Hinzu kommt das „Senso“, ein Glas, das sich aus der und für die Verkostungssituation entwickelt hat. Dieses Degustationsglas ermöglicht es, zunächst alle Komponenten und sensorischen Parameter eines Bieres „neutral“ zu erfassen und Vergleiche durchzuführen. Dies ist ein wichtiges Instrument für die Entwicklung individueller, maßgeschneiderter Glaskonzepte.

Weitere Informationen unter:  www.tastedesign.de