Leidige Diskussion oder notwendige Debatte?
Wenn es um Bier geht, dann geht es automatisch oft um Männerthemen. Noch immer wird die Brauwelt als Männerdomäne gesehen. Das betrifft nicht nur die Branche als solche, sondern auch die Zielgruppe für Werbung und Co. Dabei gibt es auch viele Frauen, die gerne statt Prosecco mal zum herben Pils oder kräftigen Schwarzbier greifen. Und auch am Braukessel finden sich immer mehr Frauen, die den typischen Männerberuf eines Brauer und Mälzers durchführen. Doch warum überhaupt das leidige Genderthema diskutieren? Weil das Bild vom typischen Männer- und vom typischen Frauenjob in den Köpfen der Gesellschaft immer noch sehr präsent ist. Welche Probleme dies mit sich bringt und warum es einer starken Frau bedarf – und damit ist nicht die reine Muskelkraft gemeint –, um in der Bierbranche zu bestehen, das hat die BRAUWELT im Rahmen eines Artikels genau von diesen Frauen erfahren.
Brauen ist Frauensache
Ist das Thema Frau in der Bierbranche bzw. als Brauerin überhaupt so relevant, um diskutiert zu werden, und wird man als Frau in einem typischen Männerberuf wirklich anders behandelt? Dies war die Einstiegsfrage, mit der die BRAUWELT Frauen aus der Bierbranche konfrontiert hat. Auch wenn jede der zwölf befragten Frauen etwas anders geantwortet hat, bleibt im Kern der Wunsch, dass dieses Thema keines sein sollte. Und das aus verschiedenen Gründen. „Dieses Thema wird, meiner Meinung nach, zu breitgetreten. Ursprünglich brauten Frauen zu Hause am Ofen Bier, darum ist es eigentlich nur logisch, dass Frauen jetzt wieder mehr in Berufen in der Bierbranche tätig sind“, erklärt Tanja Leidgschwendner, Dipl.-Braumeisterin bei Paulaner, den Sachverhalt pragmatisch.
„Meiner Meinung nach sollte das nicht diskutiert werden, denn im Mittelalter war Bierbrauen Frauensache, und das sollte uns allen wieder bewusster werden. Frauen durften früher erst heiraten, wenn sie Bier brauen konnten. Dafür sollte jeder Mann dankbar für eine Frau sein, die heutzutage das Handwerk beherrscht.“ Jana Neubert, Brauerin und Mälzerin, derzeit Schülerin bei der Doemens Academy zur Brau- und Getränketechnologin.„Bierbrauen ist eigentlich gar kein Männerberuf. Die wenigsten Biertrinker wissen, dass fast 700 Jahre lang – bis ins tiefe Mittelalter – das Brauhandwerk ausschließlich von Frauen betrieben wurde und die Arbeit am Sudkessel zur ganz normalen Hausarbeit gehörte. Bei den Babyloniern gab es sogar einschlägige Hymnen an die Biergöttin Ninkasi. Jetzt erleben Frauen am Sudkessel durch die Dynamik der Craftbierszene eine Renaissance – und bekommen in dem angeblichen Männerberuf einfach viel mehr Komplimente“, sieht auch Mareike Hasenbeck, Journalistin und Biersommelière von Feiner Hopfen, die Frau als traditionelle Braumeisterin und festen Teil der Branche.
Einsteiger vs. Familientradition
Almut Emma Zirn, Brauerin der Emma-Biere ohne Bart, ist eine dieser Frauen der genannten Craftbierdynamik: „Als Quereinsteigerin und bislang ‚nur‘ Gypsybrauerin bin ich frei darin, mir das Umfeld zu wählen, das mir gefällt. In der Freiburger CraftbrauerInnenszene fühle ich mich sehr wohl und von den männlichen Kollegen auf Augenhöhe behandelt. Vielleicht auch deshalb, weil ich nicht die einzige Frau bin. Es gibt noch Elke Manz und Anja Blum von Malt&Hops, dann noch die Biersommelière Andrea Seeger mit ihrer Craft Beer Lodge. Und ich habe den Eindruck, die Männer sind froh, dass sie nicht immer nur unter sich sind.“
Doch was ist mit den Brauerinnen, die in Traditionsbrauereien arbeiten? Sind hier die Klischees fester verankert, und hat man es dort vielleicht schwerer? Isabella Mereien, Braumeisterin der Brauerei Drei Kronen in Memmelsdorf, sieht das ganz und gar nicht so: „Ich denke, man muss hier den Unterschied zwischen Angestellten und Brauereibesitzern sehen. Da ich in der Brauerei aufgewachsen bin, war es für mich von klein auf normal, dass in der Branche hauptsächlich Männer arbeiten. Aber genauso wurde ich später in jedem Praktikum oder Angestelltenverhältnis gleich akzeptiert. Heute bin ich mein eigener Chef, und dann stellt sich die Frage eh nicht mehr. Wenn ich es mit Treffen unter Kollegen vergleiche, dann ist es egal, ob am Tisch Männlein oder Weiblein sitzt – diskutiert wird über die gleichen Themen, und jede Meinung zählt. Was in Deutschland als Nonplusultra gilt, ist eine Ausbildung. Quereinsteiger haben es sehr schwer, akzeptiert zu werden; das gilt aber auch für Männer.“ Auch Birgit Strasser, Brau- und Malzmeisterin der Graminger Weissbräu, hat nur Positives zu berichten: „Meine Erfahrungen sind durchweg positiv. Ich denke aber, dass das einfach daran liegt, dass der Brauer an sich ein freundlicher und hilfsbereiter Mensch ist. Wir sind alle sehr verbunden und helfen einander. Das habe ich in unserer Branche in jeglicher Hinsicht erleben dürfen.“
„Ich hatte nie wirklich Probleme. Man muss den einen oder anderen Kommentar verkraften können, aber das kommt in jeder Branche vor. Eher im Gegenteil: Ich war immer etwas Besonderes, da so wenige Frauen zu Beginn in der Branche tätig waren, aber auch das hat sich sehr geändert.“ Victoria Schubert-Rapp, Geschäftsführerin Brauerei Karg GmbH & Co. KG
Katharina Kurz, Co-Gründerin und Geschäftsführerin bei BRLO, sieht noch einen anderen Aspekt der Genderthematik: „Was mich persönlich nervt, sind Geschlechterklischees, vor allem in der traditionellen Bierwelt: Kasten Bier für die Männer beim Fußball oder fruchtige Biermischgetränke nur für die Frauen. Bei BRLO ist es mir wichtig, dass wir Biere für ALLE machen und sich das auch in unserer Marke und unserer Kommunikation widerspiegelt. Ich glaube, dass sich das aber in der Craft-Beer-Welt gerade ganz gut ändert und vor allem Berlin da wahnsinnig offen ist. Man sieht immer mehr tolle Frauen in den verschiedensten Bierpositionen, sei es im Vertrieb, in der Brauerei, hinterm Tresen oder als Journalisten und Blogger.“
Muskelkraft und Willensstärke
Doch es gibt auch Frauen, die von „durchsetzen“ und „beweisen“ sprechen, wenn es darum geht, wie sie als Frauen in der brauenden Männerwelt aufgenommen werden. „Ob es ein Thema zum Diskutieren ist, mag ich nicht direkt sagen, aber dass man als Frau anders behandelt wird, ist definitiv der Fall. Man muss sich als Frau immer erst beweisen und seine Kompetenzen offenlegen“, teilt Daniela Hartl, selbstständige Biersommelière und Inhaberin der Camba Biererlebniswelt, ihre Erfahrungen. Auch Barbara Lohmeier-Opper teilt diese Meinung: „Gerade in diesem Beruf, in dem hauptsächlich Männer arbeiten und Wertungen abgeben, muss man sich als Frau durchsetzen. Wird man als Frau in einem typischen Männerberuf anders behandelt? Ja, natürlich. Schläuche ziehen, Fässer wuchten, Säcke schleppen sind alles Tätigkeiten, die für die weibliche Anatomie normalerweise nicht so gut geeignet sind. Männer fühlen sich dann in der Pflicht zu helfen oder sind missmutig, einen vermeintlich schwächeren ‚Kollegen‘ zu haben. Da muss man die Herren erst mal vom Gegenteil überzeugen oder Absprachen treffen, damit sich alle wieder wertgeschätzt fühlen.“
Den Abschluss der Genderdiskussion macht der Nachwuchs. Lisa Goldmann, 24 Jahre alt, hat an der Forschungsbrauerei Weihenstephan gelernt und ist seit Juni 2018 auf der Walz. Eine persönliche Herausforderung, der sie sich aber genauso stellt wie der, eine Frau in einer Männerwelt zu sein: „In gewisser Hinsicht habe ich mir den Beruf ja selber ausgesucht und mich ja dann aktiv entschieden, zu einer Minderheit zu gehören. Klar stoße ich manchmal auf Hindernisse, aber dann liegt es eher daran, dass mir die Kraft fehlt. Und wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Frauen gehen Probleme anders an als Männer, und ich glaube, genau deswegen habe ich bisher noch keine Probleme gehabt, geschlechterspezifischen Vorurteilen zu begegnen.“